online Seminar
Werkzeuge für die Designrevolution
Designstrategien für die Zukunft.
Neben dem Einstieg in das Thema Sustainable Design, über die Lage der Welt und der Notwendigkeit eines Wandels, werden Alternativen und Strategien einer informierten Gestaltung aufgezeigt und erläutert, um schließlich selber neue Szenarien im Sinne einer weltverträglichen Zukunft zu entwerfen. Die Sammlung umfasst kurze Textbeiträge, sowie animierte Darstellungen und Interviews mit Expertinnen und Experten. Ziel des Kurses ist es praktikable Werkzeuge für Designerinnen und Designer, Entwicklerteams und Konsumentinnen und Konsumenten zu vermitteln, die zu einen informierten Designprozess ermächtigen und selbstbestimmte Entscheidungen ermöglichen. Das Wissen kann sofort im Alltag angewendet oder in den begleitenden Übungen erprobt werden.
Das Kursangebot ist bewusst interdisziplinär ausgerichtet und soll den Diskurs zwischen unterschiedlichen Branchen ermöglichen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus diversen Bereichen wie Design, Architektur, Ingenieurwissenschaften, Wirtschaft, Soziologie, Psychologie und mit unterschiedlichem Vorwissen sind herzlich eingeladen die folgenden Beiträge anzusehen.
Start 13. Oktober 2014, wöchentlich ein neues Kapitel mit einem zeitlichen Aufwand von ca 1-2 h /Woche.
In Partnerschaft mit
1 Intro
Intro Werkzeuge für die Designrevolution:
2 Weltangelegenheit
Warum betrifft uns das Thema der zukunftsfähigen Gestaltung? Hintergrundwissen und Grundlage für den Kurs.
Der Living Planet Report des WWF in Kooperation mit dem Global Footprint Network zeigt uns die aktuelle Situation der Erde und gibt Aufschluss über die Verteilung von Biokapazität und Fußabdruck. Die Zusammenfassung des Reports ist als Basis für den Kurs ausreichend. Der gesamte Bericht steht Interessierten ebenfalls zum Download bereit.
WWF_Living_Planet_Report-2014-Kurz-DE
Modelle zur Bestimmung globaler Solidarität.
Das One Tonne Life Projekt. One Tonne Life – Final Report
3 Wachmacher
Harald Gründl stellt Beiträge zu einem ökologischen und gesellschaftlichen Wandel aus der Designgeschichte und Populärkultur vor.
4 Rezepte
Was wir nicht auf den ersten Blick sehen.
Wie viele Ressourcen brauchen wir für einen Kunststoffstuhl mit Metallbeinen?
Aus: Werkzeuge für die Designrevolution, IDRV – Institute of Design Research Vienna, niggli 2014, S.49 ff:
Der Umgang mit den Rezepten
Produkte bestehen augenscheinlich aus den Materialien, die wir mit unseren Sinnen im Moment des Betrachtens und des Nutzens wahrnehmen. Diese wahrgenommenen Bestandteile lassen sich jedoch nicht immer direkt von Bäumen ernten oder aus dem Boden entnehmen. Sie sind das Ergebnis diverser Prozeduren, für die wiederum andere Rohstoffe benötigt werden, in die ein nicht zu unterschätzender Energieaufwand gesteckt werden muss. Während bei Delikatessen und guten Koch und Backrezepten neugierig nach den Zutaten und deren Verarbeitung gefragt wird, bleibt die Zusammensetzung von Produkten im Verborgenen. Dabei werden Hersteller zunehmend auch im Rahmen von EU-Richtlinien aufgefordert, mittels Umwelterklärungen (EPDs) die Zutaten bekannt zu geben und nach Produkt-Lebensphasen aufzuschlüsseln. Während einige Hersteller diese Daten freiwillig zur Verfügung stellen, werben andere zwar mit der Anwendung von Life-Cycle-Assessments in ihrem Unternehmen, legen jedoch nur prozentuale Angaben zu Verbesserungen je Lebenszyklus offen.
(!) Es ist sinnvoll, als Konsument und Designer auf das international einheitliche und möglichst transparente Werkzeug der EPDs zu bestehen. Gibt es diese Inhaltsangaben noch nicht, so kann man die jeweiligen Hersteller mit der Frage danach konfrontieren.
Doch EPDs allein sind nicht ausreichend. Die Kochanleitung enthält keine Angaben über die genaue Herkunft der Rohstoffe und darüber, unter welchen sozialen Bedingungen diese abgebaut werden. Die Rohstoffpreise sind auch kein Indiz für eine gerechte Entlohnung der Arbeiter in den Minen und auf den Feldern. Ein großer Anteil der Rohstoffpreise wird künstlich an den Börsen erzeugt und bereichert allein Spekulanten; daher ist eine genaue Aufschlüsselung der Kosten und der Herkunft notwendig. Auch die Hersteller haben diese Informationen in der Regel nicht. Die mehrteiligen Zulieferketten müssten also in Zukunft noch transparenter sein und Rohstoffe dürften nur dann bezogen werden, wenn diese Angaben unaufgefordert und
nachvollziehbar vorhanden sind.
(!) Als Designerin oder Designer kann ich nach den genauen Produktinformationen fragen und auf die Missstände aufmerksam machen, um den Druck auf die Verantwortlichen zu erhöhen.
The Consequences of Design
Tonnenweise Rohstoffe – Jeder Mensch verbraucht 1000 Tonnen
5 Ökobilanzwerkzeuge
Aus: Werkzeuge für die Designrevolution, IDRV – Institute of Design Research Vienna, niggli 2014, S.54 f:
Rein in die weißen Kittel! Einen Lebenszyklus gestalten.
(!) Den gesamten Lebenszyklus eines Produkts oder Services zu gestalten erfordert situationsabhängige Designentscheidungen.
Eine jede davon hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen, die zunächst nicht offensichtlich sind und deren globales Ausmaß zu komplex ist, um eine solche Entscheidung aus dem Bauch heraus zu fällen.
Wer kann schon die Auswirkungen auf die Umwelt in der Rohmaterialgewinnung von Materialien einfach so abschätzen und diese dann noch mit dem Lebenszyklus-Szenario eines Produkts abgleichen? Es ist fahrlässig, aus dem Bauch heraus zu entscheiden, welches Material beispielsweise für einen Fahrradrahmen ökologisch gesehen das bessere ist. Es gibt Materialbibliotheken, um die optischen und haptischen Eigenschaften von Materialien zu testen, Bücher über ihre technischen Eigenschaften, die sogar für Nicht-Ingenieure verständlich sind, sowie Schätzungen der Kosten für Beschaffung und Verarbeitung. Möglichkeiten, um begründete Entscheidungen zu treffen, sind also bereits vorhanden; doch ein Kriterium, das bisher eher vernachlässigt wurde, sind die ökologischen und sozialen Auswirkungen eben-dieser Entscheidungen. Hier können wir bisher nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Und würden wir die Frage stellen, ob Aluminium oder Stahl die bessere Alternative wäre, könnten wir lange Pro- und Kontra-Listen für beide Materialien füllen und die Frage nur mit Wenn und Aber beantworten. Wie im Kapitel „Kochanleitung“ gezeigt, wird für die Herstellung von Produkten eine Vielzahl an Ressourcen aufgewendet, derer wir uns nicht bewusst sind. Wie in einem Kostenplan werden in einer Ökobilanz die Posten eines Produkts gelistet, mit den Faktoren der Auswirkung multipliziert und die jeweiligen Auswirkungen schließlich addiert. Das Ergebnis einer Ökobilanz kann von unabhängigen Organisationen zu einer Umweltzertifizierung (EPD) eines Produkts oder eines Services verarbeitet werden. Eine Ökobilanz bildet die Auswirkungen auf Umwelt und Mensch in den verschiedenen Phasen eines Produkts oder Systems ab und bewertet diese. Das ermöglicht es, die wirkungsvollen Hebel (engl. hot spots) in Bezug auf zukunftsfähige Produkte und Systeme zu finden und informierte Designentscheidungen zu treffen. Im Idealfall geben sie uns Informationen über die ökologischen Auswirkungen bei der Gewinnung der Rohmaterialien, deren Verarbeitung, der Distribution des fertigen Produkts, seiner Nutzung bis hin zum Endof-Life-Szenario – also über den gesamten Lebenszyklus. So wird Ökobilanz auch gleich-gesetzt mit Life-Cycle-Assessment (LCA) und ist Voraussetzung für das Denken in Materialkreisläufen. Was jedoch am Ende des Lebenszyklus mit dem Produkt geschieht, muss bei einer Ökobilanz realistisch festgelegt werden.
In sechs Schritten zu einer Ökobilanz:
1.) Ziele und Anforderungen definieren; Was möchte ich mit der Ökobilanzierung erfahren?
2.) Funktionelle Einheit definieren; Was soll das Produkt für welchen Zeitraum leisten?
3.) Lebenszyklusszenario skizzieren; Wie wird das Produkt hergestellt? wie kommt es zum Verbraucher? Wie wird es genutzt? Was passiert, wenn das Produkt defekt ist oder nicht weiter gebraucht wird?
(Für die Schritte 1 – 3 lohnt es sich zu prüfen ob es für die Produktgruppe sogenannte Product-Category-Rules – PCR gibt, welche bereits die Einheiten und zu untersuchenden Punkte im Lebenszyklus angeben. Die Anwendung der PCR erleichtert auch den Vergleich zu anderen Produkten aus dieser Kategorie)
4.) Darstellen der Material- und Energieströme; Welche Rohstoffe, Art der Energie und Wasser werden zu welchen Stadien des Produktlebenszyklus benötigt?
5.) Quantifizieren der benötigten Mengen; Wieviel der in Punkt 4.) evaluierten Ressourcen werden benötigt?
6.) Life Cycle Impact Assessment – Indikatoren der Umweltauswirkungen multiplizieren; Welche direkten und indirekten Auswirkungen auf die Umwelt haben einzelne Ressourcengebräuche und Prozessschritte?
Welchen Nutzen eine Ökobilanz für Unternehmen hat und wie sie in den Entwicklungs- und Designprozess integriert werden kann erklärt Sebastian Gann, Umweltmanager bei Zumtobel.
Zwei Möglichkeiten für Designerinnen und Designer die Umweltauswirkungen zu bewerten sind der Ecolizer 2.0 von OVAM und Energy Trumps von agency of design.
2013 veranstaltete das IDRV in Kooperation mit departure, Wirtschaftsagentur der Stadt Wien einen Circle Extended zum Thema Sustainable Design – but how? Tools and Methods. In den folgenden Videos werden 2 Tools präsentiert:
6 Universelle Werkzeuge
Alles, was man braucht, um schnell und einfach gut informierte Design-, Produktions- oder Konsumentscheidungen zu treffen befindet sich in der universellen Werkzeugkiste.
Hammer
Der Hammer ist ein Symbol der Arbeiterschaft. Er eignet sich, um symbolisch in die Höhe gehalten zu werden oder – in unserem Falle – um auf Gegenstände ein-zuschlagen, die man für die Analyse nicht mit anderen Werkzeugen in Einzelteile zerlegen kann. Dort, wo wir ihn brauchen, ist wahrscheinlich in Design und Konstruktion etwas schiefgelaufen oder die Hersteller wollen versuchen, das Auseinandernehmen des Gegenstandes zu verhindern.
Schraubenzieher
Der Schraubenzieher ist die feinere Art, Dinge zu zerlegen. Man kann ihn jedoch auch in Kombination mit dem Hammer für eine gezielt brutale Taktik verwenden, um anders nicht lösbare Verbindungen ein für alle Mal zu trennen. Gutes Design hat wieder Schrauben!
Küchenwaage
Es empfiehlt sich, eine möglichst genaue Waage zu verwenden, da sonst die Ergebnisse der Berechnungen sehr ungenau werden könnten. Eine Briefwaage oder Diätwaage eignet sich für kleinere Gegenstände sehr gut. Es spricht aber auch nichts gegen eine genaue mechanische Waage. Man sollte sie jedenfalls auf ein bis zwei Gramm genau ablesen können, sonst ist eine Bewertung kleiner Materialmengen nicht möglich.
Strommessgerät
Es gibt mittlerweile in Baumärkten sehr einfache und auch günstige Strommessgeräte zu kaufen. Wichtig ist nur, dass sie für 220/110 Volt Wechselstrom geeignet sind und die verbrauchte Energie in kWh (Kilowattstunden) anzeigen können. Lokale Energieversorger stellen solche Strommessgeräte manchmal gratis zur Verfügung. Damit können Geräte vermessen werden, die Strom verbrauchen – und wie wir sehen, ist der Stromverbrauch oft der größte Umwelteinfluss von elektrischen Geräten. Ob der Strom aus wieder erneuerbaren Ressourcen stammt, kann man jedoch leider nicht messen.
Papier und Bleistift
Die Designrevolution braucht Werkzeuge, die überall verfügbar sind. Ein Computer ist nicht unbedingt nötig, ein Blatt Papier und Schreibwerkzeug allerdings schon.
Taschenrechner
Eigentlich brauchen wir nur die Grundrechenarten: addieren und subtrahieren, multiplizieren und dividieren. Es kommen schon ein paar Kommastellen vor, und für diese Fälle ist ein einfacher Taschenrechner praktisch, aber nicht unverzichtbar. Wir finden Rechnen wichtig, denn nur so ist es möglich, zu objektivierbaren Aussagen zu kommen. Und auch ist es nur so möglich, die Umwelteinflüsse in einem Lebenszyklus zu identifizieren, deren Verbesserung dann einen signifikanten Einfluss auf das Gesamtergebnis hat.
(!) Das Bauchgefühl täuscht oft bei der Bewertung umweltrelevanter Faktoren. Nicht immer sind die Parameter signifikant, die wir gefühlsmäßig für wichtige Einflussfaktoren halten.
Rezept für eine Ökobilanz
Eine schnelle Design-Lebenszyklusanalyse bei Leuchtmitteln.
Rezept für eine Ökobilanz
Bitte kochen Sie das Rezept nach, die Werkzeuge haben Sie. Schauen sie sich auch andere Produkte an.
Eine gewagte Ökobilanz
Rezept für die Analyse komplexer Produkte.
Aus: Werkzeuge für die Designrevolution, IDRV – Institute of Design Research Vienna, niggli 2014, S.78 f:
Mobiltelefone, Autos und Laptops lassen sich theoretisch auch mit dem oben vorgestellten Werkzeug analysieren. Die Ergebnisse können aber stark von professionell erstellten Ökobilanzen abweichen. Darum haben wir auch für solche Fälle eine einfache Methode entwickelt: Wir rechnen nicht mit einzelnen Materialien, sondern gleich mit dem Gesamtfußabdruck einer Objektkategorie. Aus einer bekannten Ökobilanz – beispielsweise eines Mobiltelefons – wird der CO2-Fußabdruck für die Produktion genommen und durch das Produktgewicht dividiert. So erhält man ganz einfach den CO2-Fußabruck von 1 Kilogramm Mobiltelefon. Dieselbe Methode kann beispielsweise auf ein Auto übertragen werden.
Beispiel: Fußabdruck von einem großen Geländeauto (SUV)
Ökobilanzen sind nicht verpflichtend; warum also sollten Fahrzeughersteller sie für Autos erstellen, die sowieso keinen guten Ruf haben, was ihre Umweltverträglichkeit betrifft? Obwohl es in der Stadt wenig Grund für das Fahren von SUVs gibt, erfreut sich diese Fahrzeugkategorie gerade dort hoher Beliebtheit. Doch sind diese Fahrzeuge wirklich so schlimm? – Hier schafft unsere einfache Methode Klarheit. 1200 Kilogramm Mittelklassewagen verursachen laut einer veröffentlichten Ökobilanz 6 Tonnen CO2-eq in der Produktion. In der Hochglanzbroschüre des SUV ist sein Gesamtgewicht angegeben: 2297 Kilogramm. Multipliziert mit unserem Faktor 5 ergibt das 11,5 Tonnen CO2-eq für die Produktion. Der Wagen verbraucht 0,239 Kilogramm CO2 pro Kilometer. Auf eine Fahrleistung von 150.000 Kilometer gerechnet ergibt das weitere 35,8 Tonnen CO2. Der Mittelklassewagen dagegen hat einen Ausstoß von 0,113 Kilogramm CO2 pro Kilometer; das macht auf die gleiche Kilometeranzahl gerechnet 17 Tonnen. Geht es darum, vier Personen von A nach B zu befördern, so verursacht der SUV für die gleiche Strecke hundert Prozent mehr Treibhausgase als der Mittelklassewagen.
(!) Allein die Produktion des SUV verursacht auf zehn Jahre gerechnet mehr als eine Tonne CO2 pro Jahr! Das würde den fairen Anteil an persönlichen Weltverschmutzungsrechten schon überschreiten, bevor auch nur ein Kilometer gefahren wurde. Bei 15.000 Kilometer Fahrleistung wäre der Fußabdruck des Autos 4,7 Tonnen pro Jahr.
(!) Der Treibhausgasausstoß des SUV von 0,239 Kilogramm CO2 pro Kilometer entspricht dem von einem Personenkilometer im Flugzeug!
(+) Alternative Konzepte können ebenfalls mithilfe dieser einfachen Methode berechnet und überprüft werden. Nutzen zehn Personen ein Fahrzeug (Carsharing), dann wäre der Fußabdruck für die Produktion (Mittelklassewagen) pro Person und Jahr nur mehr 60 Kilogramm. So spart jede Person mehr als eine halbe Tonne Treibhausgas pro Jahr gegenüber einer Alleinnutzung.
(!) Als Antrieb für Autos sind fossile Energieträger ungeeignet. Auch Kleinwagen produzieren in ihrer Nutzung mehr als eine Tonne Treibhausgas pro Jahr (0,08 Kilogramm CO2 pro Kilometer, 15.000 Kilometer pro Jahr). Das kann sich für die ganze Welt einfach nicht rechnen.
7 Kaffeepause
Wer gewinnt? Zwei Kaffeemaschinen im Vergleich.
Es geht um den Inhalt
Bisher wurde das eigentliche jedoch noch nicht betrachtet. Es geht um den Inhalt: Kaffee.
Gemahlener Kaffee verursacht – bis er beim Verbraucher angelangt ist – circa 30 g CO2-eq pro Tasse (5 g). Bei dreitausend Tassen sind das allein 90 kgCO2-eq. Die Argumentation für die Aluminiumverpackung ist, dass diese den Kaffee bestmöglich schützt und in bester Qualität bereitstellt. Den wertvollen Rohstoff der Bohnen vor dem Verderben oder Qualitätsverlust zu schützen ist grundsätzlich richtig, da der Kaffee das wesentliche Produkt ist. In der Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette einer Tasse Kaffee hat die Kaffebohne den anteilig höchsten CO2-Fußabdruck. Das Beispiel des Kaffeekapselautomaten ist eine rein technische Lösung, die versucht, mit hohem Materialaufwand Qualität herzustellen. Das Gespräch mit einer Expertin für Kaffee offenbart uns jedoch, dass der Kapselkaffee weder besonders gut ist noch fair gehandelt. Und der Vorteil der perfekten Lagerung kann auch erzielt werden, wenn im Haushalt einige generell bekannte Hinweise befolgt werden.
(!) Die Bohnen stets trocken bei Raumtemperatur lagern, nicht zu große Packungen kaufen und diese stets wieder verschließen. Die meisten Aromen erhält, wer die Bohnen unmittelbar vor der Zubereitung mahlt.
Mit einem Kilopreis von bis zu siebzig Euro sind wir offenbar bereit, für einen Kaffee aus dem Kapselautomaten den drei- bis vier-fachen Preis von ausgezeichnetem und fair produziertem Kaffee auszugeben. Ein Teil des Kaffeepreises entsteht durch Spekulationen an der Börse und geht an Menschen, die den Rohstoff selbst nie in der Hand gehabt haben. Selbst an als „fair gehandelt“ bezeichnetem Kaffee verdienen die Kaffeebauern nur einen Bruchteil des Kilopreises. Würden wir den Kaffee zu diesem Preis den Bauern direkt abkaufen, erhielten sie einen menschenwürdigen Lohn. Initiativen dazu gibt es bereits: Durch kleinere Zwischenhändler werden die Bohnen selbst importiert und geröstet, zudem ein Teil des Ertrags für den Bau von Schulen verwendet, damit die Kinder andere Möglichkeiten bekommen als auf den Plantagen zu schuften.
(!) Technische Innovationen sind eine Möglichkeit, die augenscheinliche Qualität eines Rohstoffs zu verbessern und zu wahren. Im Beispiel des Kapselsystems wird sichtbar, dass dies einen hohen Einsatz anderer wertvoller Ressourcen bedeutet, mit denen verschwenderisch umgegangen wird. Damit ist es nicht zukunftsfähig. Eine Alternative liegt in der Verbreitung von Wissen über die Herstellung und Zubereitung von Kaffee. Wer darüber informiert und in der Lage ist, selbst zu entscheiden, woher er seinen Kaffee bezieht, kann mit der Ressource Kaffee bewusster umgehen. Qualität zeichnet sich nicht allein durch einen hohen Preis aus. Sie entsteht durch Wertschätzung und den ehrlichen Umgang der Produzenten und Konsumenten miteinander.
(!) Nutzung vorhandener Infrastruktur: Die Moka Express nutzt die bereits vorhandene Infrastruktur in der Küche. Dadurch wird der Ressourcenverbrauch pro Produkt reduziert. Einige Kaffeegenießer sind überzeugt von den Zubereitungsmethoden French-Press und Tassenfilter, die mit im Wasserkocher erhitztem Wasser sogar noch ressourceneffizienter sind.
(!) Faktor Zeit: Der Kaffeekapselautomat ist in der Zubereitung sechs Minuten schneller als die Moka Express. Allerdings war Kaffeetrinken in allen Kulturen bisher eine gesellschaftliche Zeremonie, bei der niemand mit der Stoppuhr gemessen hat. Auch wurde Kaffee traditionell nicht alleine getrunken. Methoden, um Kaffee auch zu Hause genießen zu können, waren eine große Innovation. Doch wohin führt diese Entwicklung heute? Unter „Innovation“ wird heute zu oft ein effizienterer Ablauf verstanden, der ermöglicht, jederzeit überall alles zu tun. Damit sind wir in der Lage, noch mehr zu wirtschaften und damit auch zu konsumieren – ein Hamsterrad.
(!) Design muss als kulturelle Disziplin über traditionelle Riten informiert sein, die sich im Laufe vieler Jahrhunderte entwickelt haben.
8 Kreislaufwirtschaft
Aus: Werkzeuge für die Designrevolution, IDRV – Institute of Design Research Vienna, niggli 2014, S.98 f:
Schneller Tod
Über Patronenhüllen, die Revolution der Reparateurinnen und Reparateure und Bilder des Widerstands.
Henry Ford, 1922 (Slade, 2007:32f)
„It is considered good manufacturing practice, and not bad ethics, occasionally to change designs so that old models will become obsolete and new ones will have the chance to be bought. […] We have been told […] that this is clever business, that the object of business ought to be to get people to buy frequently and that it is bad business to try to make anything that will last forever, because when once a man is sold a car he will not buy again. Our principle of business is precisely the opposite. We cannot conceive how to serve the consumer unless we make for him something that, so far as we can provide, will last forever. […] It does not please us to have a buyer’s car wear out or become obsolete. We want the man who buys one of our cars never to have to buy another. We never make an improvement that renders any previous model obsolete.“
Abstrahierend lässt sich sowohl eine Waffe als auch ein Drucker als „Hülle“ für Patronen betrachten. In beiden Fällen ist diese Hülle so konzipiert, dass sie den Auslösemechanismus für das Aktivieren der Patronen beinhaltet. Bei Laser- und Tintenstrahldruckern sind in diese Hüllen Zähler eingebaut, die beispielsweise nach dem 15.000sten bedruckten Papier vermelden, dass die Kartuschen leer seien.
(!) Eine Warnleuchte beim Drucker blinkt: WENIG TONER. Aber ich habe doch erst kürzlich die Patronen gewechselt … Kennen Sie das?
Diese Maßnahme wird „geplanter Verschleiß“ oder „geplante Obsoleszenz“ genannt und bedeutet, dass die Lebensdauer von Produkten durch die Hersteller absichtlich verkürzt wird: durch manipulierte Zähler, eingebaute Schwachstellen, mindere Materialqualitäten, aber auch durch die Verkürzung von Modezyklen – was zum Neukauf anregen soll. So werden halbvolle Patronen weggeschmissen, prinzipiell funktionierende Waschmaschinen entsorgt, da die Reparatur teurer ist als ein neues Gerät, es werden biennal neue Telefone gekauft, da diese zusätzliche Funktionen versprechen, oder alte Kühlschränke gegen energieeffizientere ausgetauscht, und so weiter. Diese ökonomische Anreizstruktur wurde in den Zwanzigerjahren bei General Motors entwickelt, indem jährlich Automobile mit neuen Konfigurationen auf den Markt gebracht wurden. So sollten die Kunden dazu bewegt werden, nach drei Jahren neue Autos zu kaufen. Heute wird die geplante Obsoleszenz in verschiedenen Varianten und in fast allen Branchen praktiziert.
(!) Das Nebeneinander der AK-47 und des Druckers wirft folgende Frage auf: Ist es vorstellbar, dass die Waffenindustrie ihre Produkte mit Zählern versieht, die einer Waffe nach 15.000 Schuss deuten, kaputt zu sein? Wohl eher nicht. Dieses Produkt würde höchstwahrscheinlich nicht von kriegsführenden Mächten gekauft. Warum also kaufen wir in unserem friedlichen Alltag ständig „für die Müllhalde“?
http://makezine.com/2006/12/01/the-makers-bill-of-rights/
https://de.ifixit.com/Manifesto
Langes Leben
Was es braucht, um Dinge über Generationen zu nutzen.
Haben wir das Zeug dazu? – Ein Projekt des IDRV im Rahmen der Vienna Design Week 2013 zum Thema Stadtarbeit untersuchte das Potential eines städtischen Bezirks in Wien hinsichtlich von Reparaturbetrieben und Servicedienstleistungen. Ein Rundgang führte zu den oft verkannten und vielleicht noch nicht ausreichend genutzten kleinen Dienstleistern einer alternativen Konsumations- und Produktionskultur gegenüber der Wegwerfgesellschaft. Teil des Projekts war auch eine Diskussion zum Thema Produktkultur – reparieren oder wegwerfen?
http://www.idrv.org/news/citywork/
Wiederauferstehung
Die Kreisläufe der Natur inspirieren und prägen unsere Vorstellungen. Daraus entstehen religiöse Gedanken genauso wie Fortschritt.
Ein T-shirt wie ein Blatt?
Wie müsste ein T-Shirt hergestellt werden, damit es in einen natürlichen Kreislauf passt? – Aus Naturmaterialien, zum Beispiel Baumwolle. Bei der Herstellung von einem Kilogramm Baumwolle werden im globalen Durchschnitt laut Water Footprint Network 10.000 Liter Wasser benötigt – für die Bewässerung. Macht pro T-Shirt rund 2500 Liter.So große Wassermengen sind in manchen Teilen der Welt ohne Umweltschäden und soziale Ungerechtigkeit gar nicht bereitzustellen. Dann müssen die Fasern gefärbt werden, und hier kommen leider auch heute noch Stoffe zum Einsatz, die für Mensch und Umwelt gefährlich sind. Sie haben in biologischen Kreisläufen nichts verloren. Ein zukunftsfähiges Produkt sollte ja für die Umwelt nicht nur weniger schädlich sein, sondern sich positiv auswirken – eben Nahrung sein.
Am Komposthaufen.
Wir haben ein T-Shirt, das den Kriterien eines natürlichen Kreislaufs in einigen Punkten (C2C) entspricht, in einen Komposthaufen eingegraben. Schon nach wenigen Wochen beginnt sich das Kleidungsstück aufzulösen. Da die Färbung nicht giftig ist, kann man die daraus entstehende Erde bedenkenlos für den Anbau von Lebensmitteln oder sogar wiederum von Baumwolle verwenden. – Klingt gut? Wäre es auch, wenn da nicht das Problem des nicht geschlossenen Kreislaufs wäre. Die Etablierung von geschlossenen Nährstoffkreisläufen ist für die Vielzahl an Produkten, die wir verwenden, eine große Herausforderung. Und schließlich hat nicht jeder einen Komposthaufen. Würden wir das T-Shirt dagegen in den Biomüll werfen, würde es in der Sortierung für die Kompostierung wieder herausgefischt.
9 Kreativitätswerkzeuge
Methoden zur Ideengenerierung gibt es eine Vielzahl, nicht nur im Designbereich. Brainstorming, Storytelling und Mindmaps sind nützliche Werkzeuge, um herumschwirrende Ideen zu kommunizieren und zu sortieren. Mit Moodboards und Personas beispielsweise können Produkte so platziert werden, dass sie eine definierte Konsumentengruppe ansprechen oder deren Verlangen wecken. Das führt in der Praxis oft zu Produkten, die wir nicht unbedingt brauchen, deren Entwürfe verknüpft mit geschickten Marketingstrategien aber einen ständigen Bedarf an neuesten Trends erzeugen. Andererseits lässt sich dieses Wissen in Verbindung mit methodischem Entwerfen auch einsetzen, um Maßnahmen für eine zukunftsfähige Welt zu etablieren.
Aber wie?
Leitfäden, Roadmaps, Do’s and Don’ts, Kriterienlisten, Gebote und auch der Hausverstand zeichnen einen Weg derjenigen Entscheidungen, die sich zukunftsfähig gestalten lassen. Die Anzahl der Kriterienlisten – teilweise verankert in den Manifesten der Unternehmen und Designbüros – ist riesig, doch in der Anwendung scheinen die gut gemeinten Vorsätze bisher nicht richtig anzukommen. Die Kriterien zeigen allerdings die Richtung an, sind hilfreich, um Konzepte zu überprüfen und zu hinterfragen. Sie er möglichen es auch, eine Bewertung von sozialen oder abstrakteren Anforderungen vorzunehmen, die sich nicht allein durch die Umweltauswirkungen abbilden lassen.
(!) Die richtigen Fragen stellen, oder: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Das Vorhandensein von ökologisch und sozial nachhaltigen Unternehmensgrundsätzen heißt nicht, dass diese auch in allen Ebenen etabliert sind. Welche Materialien wirklich in den Produkten und Zulieferteilen stecken, wie die Arbeitsbedingungen aussehen, welche Abfälle entstehen und wie das gut gemeinte Energieeffizienzprogramm wirklich angewendet wird, kann nur herausfinden, wer neugierig und skeptisch die Dinge hinterfragt.
Alternativen suchen
Nicht alle bereits eingeschlagenen Routen sind zukunftsfähig. Strategische Werkzeuge für die Zukunft helfen dabei, unter geänderten Voraussetzungen Rahmenbedingungen und andere Formen des Zusammenlebens zu entwerfen oder Lebensstile zu generieren. Dabei werden die sich zukünftig abzeichnenden Probleme adressiert oder die Parameter von neuen Lebensweisen als Ausgangssituation angenommen.
Die manchmal spielerischen Kreativitätswerkzeuge sind sehr unterschiedlich in ihrer Absicht und Anwendung: Sie können genutzt werden um rein kapitalistische Absichten zu verfolgen, aber auch soziale und ökologisch nachhaltige Gesichtspunkte fördern. Die folgenden Werkzeuge sind exemplarische auf neue und alternative Denkansätze für ein ökologisch nachhaltigeres Design. Letztlich entscheiden die NutzerInnen welche Absichten sie verfolgen und wie verantwortlich sie die Werkzeuge einsetzen.
Manifeste
Allan Chochinov, 1000 Words: A Manifesto for Sustainability in Design, www.core77.com
Ken Garland mit 20 anderen Designern, first things first, 1964, www.designishistory.com
William McDonough, The Hannover Principles, www.mcdonough.com
Manifesto on processes of change, www.intrastructures.net
Slow Design Principles, www.slowlab.net
Verband deutscher Industriedesigner, Der VDID Codex Industriedesign, www.vdid.de
Der Ökologische Eid, Der hippokratische Eid für Designer, www.oekologischer-eid.de
www.alliance-francaise-des-designers.org, Charta AFD des Ökodesigners, 2014
Guidelines und Checklists
A420, An Introductory Guide to Sustainability for Designers, Financial + Social + Environmental + Personal = Sustainable, www.a420.com
Bootcamp bootleg; Hasso Plattner, Institute of Design at Stanford, www.dschool.stanford.edu
Integration Ecological Design, Okala Practitioner; Industrial Designers Society of America (IDSA), www.okala.net
Kriterienmatrix: Bundespreis Ecodesign, www.bundespreis-ecodesign.de
The Living Principles, Scorecard, www.livingprinciples.org
The Designer’s Field Guide to Sustainability; Lunar, www.lunar.com
Guideline and Check List Manual for the Design of Low Impact Products for the Environment; RAPI.labo, Milano, www.lens-italia.polimi.it
Angie Rattay, Gebrauchsinformation für den Planeten Erde, 2011
Summary of Cradle to Cradle Certification Criteria, ww.c2ccertified.org
John Thackara, True Cost Design, Handouts und Listen, www.doorsofperception.com
Ursula Tischner/Carlo Vezzoli, Sustainability Design-Orienting Toolkit (SDO), www.sdo-lens.polimi.it
Ursula Tischer/Carlo Vezzoli, „Sustainability Evaluation Radars“, in: Design for Sustainability: A Step by Step Approach
Carlo Vezzoli / Ezio Manzini, Design for environmental sustainability, 2008
Cambridge Sustainable Design Toolkit (University of Cambridge), www.cambridgesustainable-design-toolkit.com
Design Play Cards (ecoinnovators)
Drivers of change (A.R.U.P.)
Flowmaker – a Design tool (wemake)
Lego, Serious Play (allg. Spiel- und Bausteine)
Mind the Future (W.I.R.E), www.mindthefuture.net
Open Design Now, www.opendesignnow.org
Rethink (rethink games ltd), www.playrethink.com
Zahlenwerkzeuge zu Umweltauswirkungen von Materialien
Energy Trumps (The agency of design), www.agencyofdesign.co.uk
Ecolizer 2.0 (OVAM), www.ecodesignlink.be/en
Water footprint, www.virtualwater.eu
10 Zukunftskonzepte
Wie können wir in Zukunft leben?
Eine zentrale Frage, welche die Arbeit am IDRV Institute of Design Research Vienna bestimmt. Können wir in einer Stadt leben die kein Erdöl braucht? Was können wir von H.D. Thoreau lernen? Können wir alle Güter so entwerfen, dass sie in biologischen und technischen Kreisläufen bleiben und kein Müll entsteht? Diese und andere visionäre Konzepte könnten heute schon umgesetzt werden, allerdings nur unter angepassten Bedingungen.
Eine persönliche Angelegenheit.
„We are all designers now.“ John Thackara, In the Bubble. Designing in a Complex World, 2005
Wie wir aus den ersten Kapiteln des Kurses wissen, hat die Welt nur eine beschränkte Biokapazität und ist der Ökologische Fußabdruck der entwickelten Länder viel zu hoch – er muss dringend und mit verbindlichen Zielen reduziert werden. Designer haben die Fähigkeiten und Mittel, alternative Lebenskonzepte so darzustellen und damit vorstellbar und erlebbar zu machen, dass sie von einer größeren Anzahl von Menschen als erstrebenswerte Alternative zum heutigen Leben wahrgenommen werden. Handeln wir informiert und entschieden!
Gleichberechtigte, experimentelle Kooperationsprojekte mit der Industrie ermöglichen einen ersten Schritt in die richtige Richtung und gemeinsames Lernen für die Zukunft. So können neue Handlungsweisen und Strategien in einem gesetzten Rahmen überprüft und später in einen größeren Kontext übertragen werden.
Am Beispiel der Lichtsteuerung zeigt sich die Bedeutung von Gestaltungsspielräumen und der Kommunikation zwischen NutzerInnen und technischen Innovationen.
Für die Zukunft brauchen wir Alternativen. Ein erster Schritt ist das Öffnen von geschlossenen Systemen, hin zu den Nutzer und Nutzerinnen. Informierte DesignerInnnen können zwischen ihnen und der Industrie vermitteln, neue Anreize des Zusammenarbeitens schaffen. Schließlich brauchen wir Konzepte die angenommen werden, die niemanden ausschließen. Systeme sind gefordert die technische Möglichkeiten sinnvoll nutzen, nicht überfordern und eine Verbesserung der Effizienz ohne Einschränkung des Wohlbefindens fördern.
Die Zukunft geht uns alle an und die Werkzeuge des Gestaltens stehen allen zur Verfügung.